Neben seiner institutionellen Aufgabe als Schultheater hat Theatraki verschiedene Theaterstücke unter der Regie von Antonio Viganò des Teatro la Ribalta produziert. Diese künstlerische Erfahrungen vermitteln den Schauspielern von Theatraki neue wertvolle Impulse für ihren pädagogischen Einsatz in Südtirols Schulen.

Minotaurus

Das Anderssein entsteht, sobald sich der Mensch in der Selbstbegegnung nicht selbst erkennt. In dieser Definiton finden wir Dürrenmatts Minotaurus wieder, während er in den ersten Tagen seiner Gefangenschaft im Labyrinth besucht wird. Als wäre dies noch nicht dramatisch genug, kommt hinzu, dass die Wände des Labyrinths aus Spiegeln bestehen und das "Ungeheuer" zu permanenter Selbstbetrachtung nötigen. Durch diese tägliche Spiegelung erwirbt das "Ungeheuer" Bewusstheit seiner selbst als Einzel- wie als soziales Wesen. Es gelangt zu einer Sicht von sich selbst als einem Wesen mit Selbstachtung und mit der Fähigkeit, Gefühle zu erleben und in Beziehung zu treten. Die Regie von Antonio Viganò und die Choreografie von Julie Anne Stanzak, Choreografin und Tänzerin am Tanztheater Wuppertal, verbinden sich zu einem Spiel mit den räumlichen Koordinaten. Lineare wie kreisförmige Bewegungen zeichnen das unsichtbare Labyrinth, während sich die Figuren, kletternd und rutschend, auf einer schiefen, mit Erde bestreuten Ebene bewegen. 

 

Produktion: Teatro la Ribalta (Akademie Kunst der Vielfalt) gemeinsam mit Tanz Bozen 2011, Lebenshilfe und Theatraki

Regie: Antonio Viganò

Choreografie: Julie Anne Stanzak

Mit: Mattia Peretto, Manuela Falser, Alexandra Hofer, Melanie Goldner 

Auszeichnung: Nationaler italienischer "My-Dream-Preis 2012 " der Fondazione Cassa di Risparmio di Torino

Etappen der Tournee in Italien, Österreich, Deutschland, Schweiz und Frankreich



Spuren der Seele

Dreihunderttausend Menschenleben von Männern, Frauen und Kindern wurden in Nazi-Deutschland in den Jahren zwischen 1939 und 1945 ausgelöscht. Sie hatten sich zu Schulden kommen lassen, nicht in die Kriterien zu passen, die das Regime in Komplizenschaft mit Psychiatern zum Zwecke einer starken, gesunden und schönen Rasse willkürlich geschaffen hatte. Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, Asoziale, Schizophrene, Epileptiker und Taubstumme wurden eliminiert, aber das Ergebnis war nicht die Entstehung einen neuen Rasse, sondern die eines Ungetüms. Alle jene, die Frauen, Kinder und Männer umgebracht und eingeäschert haben, weil sie "nicht der Norm entsprachen", sind dadurch nicht zu überlegenen Wesen aufgestiegen, sondern im Gegenteil zu hässlcihen Monsern geworden, wie wir sie aus den Märchen unserer Kindheit kennen und fürchten. Die Begriffe Eugenik und Euthanasie werden in wissenschaftlichen Debatten und in der Gesellschaft immer wieder thematisiert. Der menschliche Körper ist nicht mehr Besitz der Person, die darin wohnt und mit seinen unendlichen Möglichkeiten lebt, sondern gehört dem Staat, im Geiste des kollektiven Gesundheitskults und der Selbstaufopferung. Die Produktivität eines Individuums ist heute das Maß, an dem ein Menschenleben gemessen wird. Darwinismus in Reinfrom und biologischer Determinismus verrichten in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft jede Art von "Diversität", denn solche Leben sind es nicht wert, gelebt zu werden.

Wenn wir heute all dem eine Veranstaltung widmen, dann tun wir dies nicht, um nicht zu vergessen, sondern weil die Worte Eugenik und Euthanasie unter neuen ethischen und wissenschaftlichen Vorzeichen wieder verstärkt in die öffentliche Debatte Einzug gefunden haben. Wenn wir heute all dem eine Veranstaltung widmen, dann tun wir dies, damit jene Menschen, die es vor kaum 60 Jahren nicht wert gewesen wären zu leben und sich fortzupflanzen, uns die Welt erklären, uns eine neue Art des Fühlens und der Menschlichkeit zeigen, deren Existenz uns mit großem Glück erfüllt.

Die Schauspieler unseres sozialen Theaters messen sich in der Kunst des Schauspiels, ohne Mitleid oder tröstende Blicke zu suchen, sondern stellen sich eigenverantwortlich dem kritischen Auge der Zuschuaer.  


Produktion: Theatraki, Teatro la Ribalta (Akademie Kunst der Vielfalt), Lebenshilfe

Text: Antonio Viganò und Giovanni De Martis

Deutsche Fassung: Georg Mair

Regie: Antonio Viganò

Mit: Manuela Falser, Melanie Goldner, Paola Guerra, Alexandra Hofer, Graziano Hueller, Mattia Peretto, Gisela Oberegger 

Auszeichnung : "Cultura Socialis" 2013 der Autonomen Provinz Bozen

Tournee in Italien, Österreich und Deutschland

Das Stück war von 2009 bis 2017 im Spielplan



Wie Schmetterlinge im Bauch

Da ist er, dort auf der Bühne, voll und ganz, jener Ausdruck, der sich zu rechtfertigen weigert. Niemand will ihn mehr mit einem, besonnenen Gespräch zurechtbiegen, und jeder öffnet ihm sein Herz. Auf diese Weise verleiht diese Theaterwerkstatt dem "Andersseienden" mit seinen Schwierigkeiten im Umgang mit der "Normalität" eine Stimme, jedoch ohne nüchterne logische Diskurse, sondern rein mit Theater. Und wie es im Theater so geschieht, wird der Zuschauer von dieser Welt gefangen genommen. Genauso entsteht Begegnung. "Isabella Cherubini" - RAI Sender Bozen


Produktion: Lebenshilfe/Theatraki/Teatro la Ribalta

Regie: Antonio Viganò

Mit: Agnes Hinterwaldner, Gisela Oberegger, Mattia Peretto, Anna Traunig, Manuela Falser, Melanie Goldner, Thomas Bristot, Alexandra Hofer, Barbara Fingerle, Graziano Hueller, Paola Guerra



Lezioni d'amore - Die wahre Geschichte von Blaubart

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Das Projekt entsteht aus einer Märchenwerkstatt zu Charles Perraults "Blaubart" sowie aus dem Buch von Clarissa Pinkola Estés "Frauen, die mit Wölfen laufen". Diese Werkstatt mündet in ein Dramaturgieprojekt für ein Theaterstück. Im Mittelpunkt der Dramaturgie stehen Gewalt in den Beziehungen zwischen Mann und Frau sowie Machtmechanismen, die immer dann zum Tragen kommen, wenn die Fähigkeit zum Durchhalten, zur Selbstanalyse, zur beharrlichen Liebe, zur Empfindsamkeit und zum intuitiven Umgang mit der eigenen Geschichte abhanden kommen. Der Text befasst sich mit der Notwendigkeit, eine eigene, spezifische Identität zu entwickeln und weiter zu pflegen, ohne den eigenen Macht- und Herrschaftswunsch, den das psychologische Beutetier in uns entfalten neigt, völlig unterdrücken zu müssen. "Blaubart" ist der schwarze, faszinierende und verführerische Mann, der jeder weiblichen Seele innewohnt und Feind beider Geschlechter ist. Perraults Märchen hilft uns bei der Erforschung der vielfältigen Dynamik der Naivität und erzählt die Geschichte vieler Frauen, die sich in ihrem Leben für einen destruktiven Partner entscheiden und dabei die Heuchelei des Anderen übersehen, dessen obskure Charakteranteile bagatellisieren und sich stets wiederholen: "So blau ist sein Bart nun doch wieder nicht". 

"Eines Tages war Er- der Herr - zerstreut.

Ich spielte mit seinen Zähnen wie mit einem Glockenspiel.

Da stolperte ich über einen Backenzahn.

Und ich stürzte ab.

Und fiel weiter und weiter in die finstere Tiefe der Kehle.

Alles war so dunkel!


Produktion: Theatraki/Teatro la Ribalta

Regie: Antonio Viganò

Mit: Alexandra Hofer, Barbara Fingerle, Letizia Aguanno, Giovanna Palmieri, Paola Guerra, Graziano Hueller, Christian Mair, Michele Fiocchi, Hans Lösch, Samuel Ferro



Rome und Julia - Geboren unter einem anderen Stern

Warum gerade Romeo und Julia? Die berühmte Tragödie gehört heute zum kollektiven Unterbewusstsein. Auch wer sie nicht gelesen hat, kennt die Geschichte der verhinderten Liebe, ihren Konflikt, ihr tragisches Ende. Es ist die Tragödie der jungen Liebe, der jugendlichen Leidenschaft, der romantischen Liebe, so heißt es. Die zwei Familien, die sich bekämpfen, die verfeindeten Clans, die dieser großen Liebe im Wege stehen, sind in der Tragödie "die Erwachsenen". Sie bestimmen das Leben, den Alltag, in dem Romeo und Julia zu bestehen versuchen.

Jugendliche Liebe und der Kampf zwischen zwei Familien - der Text ist immer noch modern, und hilft uns auch heute noch Fragen über die Jugend zu stellen, über Leidenschaft, die die Welt verändern möchte, über Verzweiflung und Hoffnung. Die romantische Liebe der zwei jungen Protagonisten prallt auf Erwachsene, die die Fähigkeit verloren haben starke und vitale Leidenschaften zu leben und die in einer Welt von Machtspielen und Streben nach Dominanz gefangen sind. Daher wird diese Liebe gefährlich, da sie den Status Quo dieser Erwachsenenwelt ins wanken bringt, ihre eingefahrenen Dynamiken. Es entsteht ein Kampf zwischen zwei Welten, zwischen zwei Visionen, zwischen zwei Arten zu sein und zu fühlen. Und die jugendliche Liebe, die Liebe voller Ideale, hat es in diesem Kampf schwer. Ein interkulturelles Projekt: Die Familien Capulet und Montague des Stücks sind wie zwei Clans, zwei rivalisierende Banden, die sich ein Gebiet zwischen sich aufteilen, es beherrschen. Da gibt es einen Machtkonflikt, es geht von Eroberung von Raum, um die Erhaltung der Herrschaft über ein Gebiet. Jede Gruppe hat ihre "Soldaten", die dazu fähig sind andere zu töten, wenn die eigene Position angegriffen wird. Wer verliert oder Fehler macht, kommt ins Exil. Die Namen der zwei Familien Shakespeares können mit anderen Namen ersetzt werden, Geschichten der Rivalität gibt es heute genügend: etwa rivalisierende Jugendbanden, die die Peripherien der großen Städte kontrollieren. Gruppen von Einwanderern gegen Einheimische, oder es bekämpfen sich verschiedene ethnische Gruppen unterschiedlicher Religionen.

 


Produktion: Theatraki

Regie: Antonio Viganò

Mit: Letizia Aguanno, Barbara Fingerle, Alexandra Hofer, Dieter Lauggas, Doris Plankl, Graziano Hueller, Ivan Bortolotti, Paola Guerra und mit Ana Isabel, Asllan, Denis, Fabio, Ginetta, Maria, Maria Sara, Marlyn Maritza, Nejoi

Organisation: Franca Marchetto



Überschuss

In diesem Abenteuer nähern wir uns der Welt der Großväter und Großmütter, unseren Vätern und Müttern, und der Rolle, die Omas und Opas in der Kindheit spielen und in der Gesellschaft. In einer Gesellschaft, die nicht mehr fähig ist Anderssein zu akzeptieren. Ein Anderssein nämlich, das nicht mehr produktiv ist, sondern soziale Kosten verursacht - Frauen und Männer, die "Überschuss" werden. Werkstätten und Diskussionen liegen dem Stück zugrunde, und eine Science-Fiction-Erzählung, "Die Prüfung". Neben den Schauspielern von Theatraki sind Kinder der Grundschule und alte Menschen auf der Bühne, die bereit sind bei diesem Spiel mitzumachen.


Produktion: Theatraki

Regie: Antonio Viganò

Mit: Antonietta Azzolini, Giovanni Carboni, Dieter Lauggas, Hildegard Rohregger, Letizia Aguanno, Barbara Fingerle, Paola Guerra, Alexandra Hofer, Graziano Hueller, Doris Plankl, Georg Siller, Paola Soccio, Elena Moroder, Stefania Paulon, Melissa Pircali und einigen Gästen vom Altersheim Villa Serena

Organisation: Franca Marchetto



Radeau de la meduse

Das Stück widmen wir dem Jugendalter. Diesmal inspirierte uns das Bild "Le radeau del la Méduse" von Géricault dazu. Die Verzweiflung und Hoffnung interessieren uns, von denen die Menschen auf dem Floß erzählen. Verzweiflung und Hoffnung, beide gehören zur Zeit der Jugend, zu dieser Schwelle mit all ihren Konflikten und Widersprüchlichkeiten.

Uns Erwachsene lässt das Bild, so betrachtet, bewusst werden, wie uns diese Zeit fehlt, in der wir noch im Werden waren. Das Stück entstand aus dem Wunsch, diesen flüchtigen Zustand des Jugendalters zu erforschen, mit all seinen widersprüchlichen Gefühlen: der Notwendigkeit zu gehen und des Bleiben-Wollens, von Traum und Realität, der ersten Liebe und von den schmerzvollen Verlusten, die schwer einzuordnen sind, weil auch sie widersprüchlich sind.


Produktion: Theatraki

Regie: Antonio Viganò

Mit: Letizia Aguanno, Margareth Braunhofer, Barbara Fingerle, Paola Guerra, Alexandra Hofer, Graziano Hueller, Jesus Maria Lezameta, Doris Plankl, Verena Romano, Birgit Seeber, Greta Augscholl, Federica Cassarà, Luca Chiappara, Valentin Gasser, Sena Hrustic, Falko Kramer, Denis Mattiazzo, Philipp Mock, Marco Munarini, Taila Puleo, Fabio Raffaelli, Magdalena Seebacher, Luca Tota, Walter Zambotti

Organisation: Franca Marchetto



Jeux d'enfants

Jedes Jahr begegnen wir in unserer Arbeit als TheaterpädagogInnen von Theatraki Hunderten von Kindern und Jugendlichen. Mit ihnen zusammen machen wir Theater, entdecken Spiel und Rollenspiel, den Raum, Rhyhtmus, Fantasie und kreatives Schreiben, bilden uns weiter. Die Kinder sind unsere Gesprächspartner, Schauspieler, Inspiration. Wir wollten diese tägliche Begegnung mit der Aufführung "jeux d'enfants" abschließen. Einige TheaterpädagogInnen, Kinder, Jugendliche und vier Schauspieler des Teatro la Ribalta stellten sich Fragen zum Thema Kind-sein, angeregt von Pieter Bruegels Bild, das den selben Titel trägt: "Les jeux d'enfants"-Kinderspiele.

Das Stück erzählt davon, wie wichtig es ist, diese "kollektive Vorstellungswelt" des Kind-seins neu zu definieren. Und davon, wie schwierig es ist, Kind zu sein, Erwachsene zu sein, und dass man viel zu oft vergisst, Kind gewesen zu sein. Es zeugt auch davon, dass Theater ein Ort sein kann, wo sich Erwachsene und Kinder einmal auf völlig gleicher Ebene treffen können, wo sie die Rollen von LehrerInnen und SchülerInnen, PädagogInnen und Jugendlichen abstreifen, und sich einfach erzählen können, wie schwierig die Beziehung zwischen ihnen ist. Aber wie viel diese Beziehung uns auch zu sagen und zu enthüllen vermag


Produktion: Theatraki

Regie: Antonio Viganò

Mit: Giorgio Buraggi, Filippo Ughi, Josef Scicluna, Letizia Aguanno, Franco Bertoldi, Margareth Braunhofer, Barbara Fingerle, Paola Guerra, Kathrin Hirber, Alexandra Hofer, Graziano Hueller, Jesus Maria Lezameta, Doris Plankl, Birgit Seeber.

Organisation: Franca Marchetto